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11/12/2011

KULTUR

Faszination und Ambivalenz:

DIANE ARBUS – Fotografie


„Ich habe mir angewöhnt zu schreiten, meinen Kopf zu erheben, die Nase ein bis zwei Zentimeter höher zu recken, als ich es normalerweise tun würde.

Meine dünnen Finger kralle ich in das Futter meines bodenlangen Mantels, die Absätze meiner roten Lacklederschuhe ramme ich mit jedem Schritt kraftvoll und beständig in die grau-schwarz gepflasterte Straße.

Mein Blick ist durch eine große Sonnenbrille verdunkelt, ich schütze mich vor den stechenden Blicken der anderen.

Täglich spüre ich den Backstein, der an meinem Hinterkopf zerschellt. Alle paar Minuten.

Ich schließe die Türen der öffentlichen Toilette.

Hinter mir ergreift mich jemand, während ich noch versuchen wollte den schwarzen Lippenstift mit einem Taschentuch abzuwischen.

Ich schreie – keiner bemerkt es.




Ein Stadtbummel in einer Großstadt.

Diese ist gefüllt mit einer Masse aus grauen Gestalten. Unter ihnen bewegt sich jemand, der unter dem Mob hervorsticht. Er kehrt seine Persönlichkeit exzentrisch nach außen. Dafür erntet er mit Lachern verbundene Blicke und entwürdigende Kommentare. Anders zu sein, das bedeutet bis heute ein Außenseiter zu sein. Das Leben auf der, von der Gesellschaft geschaffenen Insel, ist wie mit einem nicht mehr enden wollenden Schlag auf den Hinterkopf zu leben. Manchmal sind es Worte der Verachtung und der Diskriminierung. Manchmal jedoch sind es die Blicke, die am meisten berühren. Der Inselbewohner starrt zurück, es sind seine Augen, die in solchen Momenten bemüht zusammengehaltene Stärke und Zerbrechlichkeit vereinigen.





Ich bin Leben das leben will, unter Leben das Leben will.“ (Albert Schweitzer)





Diese höchst ambivalente Emotion hat Diane Arbus, welche am 14.März 1923 in New York geboren und am 26.Juli 1971 durch Suizid verschied, festgehalten.

In ihren Fotografien portraitierte sie Lebensmomente von gesellschaftlichen Randgruppen und Exzentrikern in zugleich direkter und bizarrer Weise.

Die aus einer wohlhabenden Familie kommenden Fotografin jüdisch-russischer Abstammung, wand sich selbst aus den familiären und gesellschaftlichen Konventionen heraus, ging den Fluchtweg mittels der Fotografie und legte sich einen „künstlerischen Schleier“ auf, der es ihr ermöglichte ihre Sicht auf die Menschen durch das Auge der Kamera zur Schau zu stellen und ihren Charakter, der eigentlich sehr schüchtern war, persönlich zu erweitern. Arbus ging in ihrer Arbeit auf und überwand in ihr ihre Furcht vor den Menschen.

Ihre Sichtweise auf das Spezielle eröffnet sie dem Betrachter. Sie eröffnet ihm ihren ganz eigenen zweiten Blick auf die Menschen, der gesellschaftliches Kategorisieren blockiert und Zwischenmenschlichkeit zulässt.

Ihre Arbeiten vereinen die kontroverse Emotion des Modells mit einer Idee der Verbundenheit aller Menschen, die nach dem gleichen Prinzip funktionieren und die, trotz ihrer individuellen Persönlichkeitsauslebung, zueinander gehören. Denn eine Eigenschaft verknüpft uns alle: die Würde, die wir in uns tragen.

Diese Würde gab Diane Arbus den Außenseitern der Gesellschaft zurück, sie eröffnete neue Welten der menschlichen Beobachtung, allein durch das Auge ihrer Kamera. Dies erreichte sie durch die Thematisierung und künstlerische Auseinandersetzung mit diesen, die sie ablichtete, wobei der Wille zur offenen und unverblümten Darstellung auf beiden Seiten - auf der der Fotografin, als auch auf der des Modells - gleichermaßen bestand.

Arbus hat in ihrem fotografischen Lebenswerk etwas Großartiges erschaffen: das menschliche Gefühl von Gleichheit und Würde.

 


Irgendwie glaube ich schon, dass ich ein besonderes Gespür für Sachen habe. Das ist schwer greifbar und es ist mir auch ein bisschen peinlich, aber ich glaube, es gibt Dinge, die niemand sehen würde, wenn ich sie nicht fotografiert hätte.“ (Diane Arbus)




Hoffentlich erreicht diese Betrachtungsweise so viele Menschen wie möglich, hoffentlich lassen in Zukunft mehr Menschen den zweiten Blick zu, hoffentlich hören viele bald damit auf stumpf und unbedacht zu katalogisieren und lassen sich darauf ein mehr zu beobachten, hoffentlich wird es bald mehr Künstler wie Diane Arbus geben, die die Welt ein klein wenig moralisch und gesellschaftlich verbessern wollen.

Hoffentlich.



Nina Esther Palme, Nürnberg November 2011




KINO: „Zwei an einem Tag“ (Originaltitel: „One Day“), 2011

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Auch wenn der deutsche Titel anderes vermuten lässt, geht es schlicht und ergreifend um zwei Menschen, die sich zwanzig Jahre lang zum 15. Juli durch verschieden starke Intensität verbunden erneut treffen.
Den Startschuss stellt die Abschlussnacht von 1988 dar, als die Protagonisten Emma (Anne Hathaway) und Dexter (Jim Sturgess) zusammen im Bett landen. Am nächsten Tag, dem 15. Juli, trennen sich ihre Wege. Jedes Jahr sollten sie erneut an diesem Datum in Kontakt geraten. Allerdings verfolgen beide völlig verschiedene Ziele und entfremden sich partiell. Erst 20 Jahre nach dem ersten 15. Juli erkennen sie, was sie während dieser zwei Dekaden verzweifelt gesucht haben.

Sehr schnell fühlt man sich als Zuschauer in ein vorgefertigtes Romanzen-Schema geworfen. Man wird von Jahr zu Jahr katapultiert, wobei Emma und Dexter sich zwar äußerlich verändern, aber anscheinend über zwanzig Jahre hinweg keineswegs Falten bekommen. Auf die Zeitgeschichte wird kaum bis gar nicht eingegangen, weshalb man sehnsüchtig auf „typische“ Eigenschaften der jeweiligen Jahrzehnte (vergeblich) wartet.
Außerdem verliert der Film durch die Erzählstruktur erheblich an Spannung. Ich persönlich konnte den letzten 15. Juli kaum noch erwarten. Den Kuchen auf 20 Muffinformen bzw. Jahre zu splitten, ist doch ein bisschen zu viel des Guten. Enorm in die Länge gezogen fühlt sich jeder 15. Juli mit Höhen und Tiefen einer Freundschaft bzw. späteren Beziehung öde und farblos an.
Vorhersehbar ist desgleichen das Ende des Beziehungs-Potpourris, als die Schicksals-Faust Dexter das Gesicht demoliert und der kurzweiligen Glückseligkeit der Hauptpersonen ein Ende bereitet. An dieser Stelle hört man den kleinen, amerikanischen Moralapostel (sehr) laut aufschreien: „Seid nicht promisk! Seid fähig zu festen Bindungen, denn es lohnt sich! Tätet ihr dies nicht, würdet ihr im Nachhinein nur bereuen, so viel verpasst zu haben!“
Der beziehungstherapeutische Ansatz ist einerseits nett gedacht, schlägt andererseits fehl, da man die Liebe und Anziehung zwischen Dexter und Emma zwar oktroyiert bekommt, aber weder spüren noch nachvollziehen kann.
Des Weiteren schaffen Hathaway („Der Teufel trägt Prada“) und Sturgess (ansonsten unbekannt…) nicht die Spur einer Atmosphäre, sondern wohl eher, die in diesem Falle sinnfrei zahlenden Zuschauer nach einer Stunde im Kino dem sanften Schlummer zu übergeben.


Fazit: Nicht der Rede wert. (Aber wieso schreibe ich dann darüber?!)

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