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Cos-Label |
COS-Shop-Eröffnung
Die hochpreisige und qualitativ hochwertige(re) H(ennes)&M(auritz)-Tochter öffnete gestern (25.11.2011) um 12.00 Uhr nach einem Spannungsmarathon der letzten Wochen ihre Pforten in Nürnberg. Auf avantgardistische Schnitte mit einem raffiniert versteckten Rückbezug auf die Mode vergangener Jahrzehnte setzt COS seit 2007.
Man betritt die Filiale um 13.30 Uhr, da wir die befürchtete Eröffnungsschlacht umgehen wollten. Weit gefächert, steril und üppig erscheint das Sortiment, das sich über zweieinhalb bzw. knappe drei Stockwerke hin erstreckt. Was uns beide sehr verwunderte, war die anwesende Klientel: Nur schätzungsweise 10% gehörten der eigentlichen Collection-of-Style-Kundschaft an, die man sonst in München oder Berlin in den jeweiligen Stores antraf: Jung bis maximal 30 Jahre alt, blass, auf stilvollen Purismus und gnadenlose Eleganz bedacht. Uns erschlug das glatte Gegenteil: „City-Girl“-Shopaholics mit „Louis-Vuittons“ (… ich erspare uns jegliche weitere Schilderung) wühlten, staunten und fraßen gratis Lebkuchen neben „Gerry-Weber“-Großmüttern. Angeblich gab es auch Glühwein, wobei der Zug scheinbar bereits ohne uns abgefahren, oder der zuständigen Catering-Firma „Lehrieder“ der Nachschub ausgegangen war - nach anderthalb Stunden?! Kundenbetreuung gab es keinerlei, wie am ersten Tag auch nicht anders zu erwarten, sondern vielmehr ein Auf-eigene-Faust-Durchschlagen. Die Atmosphäre war dennoch sehr angenehm. Nicht zu dicht zusammen gepfercht breitete sich das Angebot ansehnlich aus. Witzig war, dass es meine 3€-Vintage-Bluse, die ich trug, für 49,90€ bei COS gab, und Ninas 5€-Glockenform-Mantel (Vintage) für 175€ an der Stange hing. Irgendwie überrascht mich dieses Gebaren der zuständigen Designer ganz und gar nicht, wenn ich an H&M denke, wo „Lanvin“-Hüte einige Monate nach dem Erscheinen in der „VOGUE“ minimal abgewandelt für ein Zehntel des Preises im Laden stehen…
Nun denn. Der Besuch hat sich auf amüsante Weise gelohnt und wir werden sicherlich wieder vorbeischauen.
xoxo
Max-Michael Böhner
Homosexualität
und Transgender an Schulen
-
noch immer ein Tabu?!
Durch
Zufall stieß ich auf eine Veranstaltung mit diesem Titel, initiiert von den
Grünen im „Eckstein-Haus“, Nürnberg. Weil ich ein Jahr zuvor, als ich meine Facharbeit
(„Das Bild von Homosexuellen am Labenwolf-Gymnasium. Eine Diskursanalyse.“)
ablieferte, kaum glaubte, dass sich sonst noch jemand großartig Gedanken über
dieses Thema machen würde, auch deshalb, weil ich kaum passende Literatur zur
Facharbeit heranziehen konnte, war ich besonders erstaunt, dass sich der Raum
im Eckstein am 10. 11. rasch füllte.
Zum
Vortrag eingeladen waren Andreas Unterforsthuber von der Koordinierungsstelle
Gleichgeschlechtliche Lebensweisen, München, und Heiko Rohde von der AG
LesBiSchwuler Lehrer_innen in Hessen der GEW (Berufsschullehrer).
Podiumsgäste,
die nachfolgend diskutierten, waren Gerda Reuss
(offen lesbisch lebende Hauptschullehrerin), Inge Breuling (Mitglied der
Elterngruppe beim schwullesbischen Zentrum Fliederlich e.V., Mutter eines homosexuellen Jungen), Kerem Dykast
(Stadtschülersprecher, selbst homosexuell), Peter Gruber (Rektor der Thusnelda Schule) als auch
Sandra Wissgott (transgender lebende Rektorin). Die Moderation übernahm Dieter
Barth (Veranstalter des CSD, Nürnberg, selbst homosexuell).
Als
„bitter notwendig“ deklariert begann der Abend mit dem Vortrag von Herrn
Unterforsthuber, der eine Münchner Studie („Da bleibt noch viel zu
tun…!“) vorstellte, bei der 800
Fachkräfte aus der Kinder- und Jugendhilfe vor einem Jahr zur Situation von
schwulen, lesbischen und transgender Kindern, Jugendlichen und Eltern befragt
wurden.
Erschreckend
war, dass bei eben dieser Befragung 33,1% davon ausgingen, sexuelle Identität
habe keine Relevanz. Knapp 70% stünden einer Fortbildung offen gegenüber.
Ebenso hatten 70% der Teilnehmer das Thema binnen der letzten zwölf Monate kein
einziges Mal thematisiert.
Insgesamt
ist zu sagen, dass die Fachkräfte zwar eine ethisch einwandfreie Haltung an den
Tag legen, aber weitaus mehr getan werden muss, um eine Öffentlichkeit für das
Thema „Homo- und Transsexualität“ zu schaffen und somit den Jugendlichen
das Coming-Out während der ohnehin schwierigen Identitätssuche während der
Pubertät zu erleichtern.
Heike
Rohde setzte mit seinem Referat fort, was ganz im Gegensatz zum vorherigen
nicht professionell von einer repräsentativen Studie, sondern stark von seiner
persönlichen Sicht der Dinge als homosexueller Berufsschullehrer geprägt war.
Einerseits
herrsche eine weite Akzeptanz im Alltag, was auffällt, wenn sich Prominente
oder Politiker outen, andererseits eine ebenso gewaltige Diskriminierung bzw.
schlicht und ergreifendes Totschweigen an Schulen. Woher
diese Diskrepanz stammt? Personen des öffentlichen Lebens sind auf einer
anderen Ebene, weiter entfernt von einem selbst. Sobald Homosexuelle oder
Transgender ins persönliche Blickfeld rücken, gerät die Scheinakzeptanz ins
Wanken und mündet in Diskriminierung.
Des
Weiteren führte Herr Rohde deutlich vor Augen, wie Homosexualität noch
heutzutage in aktuellen, bayerischen Schul-Biologiebüchern gehandhabt wird: Sie
wird in den Topf der „Sonderformen der Sexualität“ gepfercht, wo sie sich neben
ihren Nachbarn wie Pädophilie, BDSM und Exhibitionismus (natürlich völlig fehl am Platz) wiederfindet.
Abschließend
stellte Herr Rohde zwei Wege vor, der Unkenntnis und dadurch Diskriminierung an Schulen den Garaus zu machen: Der
offensive Weg wäre, eine komplette Woche unter dem Motto „Homosexualität und
Transsexualität“ in der Schule durchzuführen. Oder bspw. einen Themenabend zu gestalten. Allerdings wäre hierbei die Gefahr, dass sich manch Schüler
oder Lehrer betreffs eines nach wie vor sensiblen Themas in die Ecke gedrängt
fühlen könnte. Ein Aufklärungsmarathon mag stattfinden, zielt aber wohl,
da es auch hier eine „sensible Phase“, gleich „interessierte, aufnahmefähige“
gibt, die von Kind zu Kind verschieden ist, größtenteils am eigentlichen Ziel,
nämlich der Akzeptanz, vorbei.
Defensiv,
aber sinnvoller erscheint der zweite Weg: Gemeint ist eine kontinuierliche
Integration des Themas in den Unterricht. Statt „Mama und Papa kaufen zwei
Äpfel für jedes ihrer Kinder. Wie viele Kinder haben sie, wenn sie zehn Äpfel
kaufen?“ könnte man Aufgaben mit „Papa und Papa“ oder „Mama und Mama“
gestalten. Dasselbe gilt natürlich automatisch für alle anderen
Unterrichtsfächer. In Deutsch könnte man problemlos (nicht nur Sach-)Texte über
bzw. mit Homo-/Bi-/Transsexuelle(n) einbringen, in Biologie Homo- und
Transsexualität als völlig gleichgestellte Sexualität darstellen, in Musik und Kunst
herausragende homosexuelle/transgender Künstler(innen)-Persönlichkeiten
erläutern…
Um
nur ein Beispiel aus meiner eigenen Schulvergangenheit zu erwähnen: Im
Grundkurs Geschichte (2009 bis 2011) wurde während der Besprechung des
Nazi-Regimes kein einziges Mal auf die Ermordung zig tausend Homosexueller
eingegangen. Alle anderen „Minoritäten“, die der Bloßstellung und Ermordung in
KZs oder auf offener Straße zum Opfer fielen, wurden erwähnt (Behinderte, Sinti
und Roma, Linke etc.). An dieser Stelle hätte man dringend den „rosa Winkel“,
den Paragraphen 175§ und den weiteren Verlauf der Geschichte Homosexueller
schildern müssen.
Auf
die beiden sehr aufschlussreichen Referate folgte die Podiumsdiskussion mit
Herrn Rohde, Herrn Unterforsthuber und den anderen geladenen Gästen.
Frau
Reuss meinte, dass der Sachverhalt der Diskriminierung Homosexueller bzw. das
Thema an sich auf ihrer Hauptschule totgeschwiegen würde. Stadtschülersprecher
Dykast äußerte sich zum prinzipiell schlechten Klima an Nürnberger Schulen. Sein
Outing wurde allerdings positiv aufgenommen. Um die Meinung der transgender
Lebenden einzubringen, berichtete Frau Wissgott über ihre
Geschlechtsumwandlung, welche von allen SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen durchweg
akzeptiert wurde. Was sie andererseits zugeben musste, war, dass ihre Erfahrung
durch die Machtposition als Schulleiterin nicht repräsentativ ist.
Noch
niemals und nirgends mit Homo- oder Transsexualität in der Schule
konfrontiert worden war Rektor Gruber, was nur zeigt, welch geringfügigen Raum
die vorhandene Problematik einnimmt. Frau
Breuling gestand ihre Panik, als sich ihr ihr Sohn offenbarte. Nämlich die
Panik, was wohl Nachbarn, Verwandte und Bekannte über das Schwulsein des
Sohnes denken würden. Auch benannte sie eine „Angst vor dem Unbekannten“.
Als
Ansatzpunkte und Ziele wurden die folgenden gesteckt:
Man
solle Eltern, LehrerInnen und SchülerInnen mehr Informationen zukommen lassen, indem
man Homo- und Transsexualität generell in den Unterricht einbaut und sie damit
in die Normalität rückt. Betreffs der Kinder könne dies bestenfalls bereits ab
dem Grundschulalter mit Pflichtlektüren o.ä. geschehen, da jene in den jungen
Jahren noch am unvoreingenommensten sind. Obendrein
solle mein eine Atmosphäre des Vertrauens an der Schule schaffen, damit das
Sprechen über die eigene Sexualität mit Freunden/-innen und LehrerInnen an der
Schule leichter falle.
Letztlich
entschieden sich hiermit alle Anwesenden gegen die „Hau-Drauf-Methode“ und für
die kontinuierliche Integration und Aufklärung.
Was
in den über zwei Stunden allerdings ungesagt und unbetrachtet blieb, ist die
nach wie vor auf Homosexualität haftende verbrecherische Staubschicht als
auch die Frage, wie es homosexuellen oder transgender Migranten erginge.
Als
ich abends vom „Themenabend“ doch stark wach gerüttelt nach Hause kam, mir beinahe schon die Augen zufielen, fiel mir
zufälligerweise die Sendung „Scobel: Tabu Homosexualität“ auf 3Sat ins Auge. Gastgeber
Gert Scobel hatte den homosexuellen Theologen und ehemaligen Priester David Berger,
die Psychologin Melanie Steffens und die homosexuelle Margarete Voll von der
Allianz geladen. Der
Grundtenor der Sendung war ähnlich, wie zwei Stunden zuvor: Wie kann sich eine
größere Akzeptanz gegenüber Homosexualität entwickeln?
Zunächst wurde die Geschichte der
Homosexualität umgreifend und anschaulich ausgeführt. Im Antiken Griechenland
war die Knabenliebe vollständig gesellschaftlich akzeptierter Bestandteil. Als
das Christentum aufkam, wurden Homosexuelle als Todsünder und Sodomiten
betitelt und bis ins 18. Jahrhundert verbrannt. Im Deutschen Kaisserreich wurde
Homosexualität mittels des Paragraphen 175§ mit Gefängnis bestraft. Ungeachtet
dessen erreichte sie in den 20er Jahren in Künstlerkreisen eine Blüte, weshalb
stellenweise eine Entkriminalisierung gefordert wurde. Mit
Hitlers Machtergreifung von 1933 wurde der Paragraph verschärft und
Homosexuelle wurden, wie vorhin bereits erwähnt, in KZs zu tausenden ermordet. In
der bigotten Nachkriegszeit dachte man weiterhin, dass Homosexuelle krank und
verbrecherisch seien, weshalb man bis in die 60er Jahre versuchte, der
Pseudo-Krankheit mit Elektroschocks oder Gehirn-OPs „beizukommen“.
Der
Lichtblick nahte erst 1969: In der US-amerikanischen „Christopher Street“ finden
tagelange Demos statt und im selben Jahr besinnen sich die Deutschen, dass
Homosexualität unter erwachsenen Männern (!) nicht mehr strafbar ist. In
den 70ern tritt allmählich auch die lesbische Frauenbewegung in den
Vordergrund. Der
große Rückschlag in den 80er Jahren ist AIDS: Homosexualität gerät wiederum in
Verruf als Auslöser für die Krankheit. Der Paragraph wird letztendlich 1994
abgeschafft.
Nach
dieser Kurzhistorie berichtete David Berger vom Entzug seiner Lehrerlaubnis des
Religionsunterrichts durch die Kirche nach seinem Outing, wobei hier anzumerken
sei, dass mindestens 25 bis hin zu 40 Prozent der Priesterschaft homosexuell
lebt. Dann
wurde auf den Fußball, die US-Army und die deutsche Bundeswehr eingegangen,
woraufhin sich schnell zeigte, wie hartnäckig Homosexualität in den Köpfen der
Menschen als „Problem“ herumspuken kann… Die
christliche Kirche sieht Homosexualität als Pervertierung des Schöpfungsplans,
wobei gerade im Mittelalter Priesterseminare Zufluchtsorte für Homosexuelle
boten. Am
heutigen Tag kämpft die katholische Kirche mit aller Gewalt um ihre Rolle in
der Gesellschaft. Eigentlich sollte man müde lächeln, wenn der Papst
demagogisch gegen Homo-, Trans- und Bisexuelle wettert, was aber doch nicht
spurlos an einem vorüber zieht, weil die Kirche eben nach wie vor einen
ungeheuren, völlig antiquierten Machtanspruch erhebt/erheben will. Nicht
nur die Ablehnung Homosexueller durch den Papst, oder die historische
Vergangenheit, sondern auch die in derselben Weise verrotteten Geschlechterrollen
von Mann und Frau fördern die Ablehnung.
Ein
Weg zu Respekt und Akzeptanz an Schulen führe über die „Sichtbarmachung“ der
LehrerInnen, da dies Denk- und Lernprozesse seitens der Eltern und SchülerInnen
in Gang setze. Nach
diesem Exkurs wurden noch alle auf Homosexuelle bezogenen gängigen Klischees
und Vorurteile auf den Tisch geknallt, die ich uns hier ersparen möchte.
Das
Schlusswort der Show war, dass der Staat und ebenso Konzerne vorbildlich
vorgehen, deshalb die Kirche zurechtstutzen müssten.
Egal
ob Sendung oder der Abend im Eckstein: Beides war sinnvoll, wenn auch partiell
lückenhaft, was die Lösungswege und Darstellungen angeht. Die Sendung kann man auf der 3Sat
Online Mediathek anschauen, was sich allemal lohnt. Auch wenn es nur kleine
Schritte sind, bin ich froh, dass immerhin diese gegen die ständige
Diskriminierung, Tabuisierung, Kriminalisierung und Klischeeisierung von
Homosexualität stattfinden.
Letztlich
bleibt nur noch zu sagen, dass man sich im Jahr 2011/beinahe 2012 nicht mehr
outen müsste, sondern einfach einen gleichgeschlechtlichen Partner überall
mithin nehmen können müsste, ohne dumm-dreist angepöbelt oder mit
Schweinsäuglein angestarrt zu werden.
Denn
Homosexualität ist kein Problem, sondern wird seit jeher nur zu einem gemacht.
Nachtrag (26.11.): Wie ich gestern von Frau Kazmeier (Fraktionsvorsitzende der Grünen, Nürnberg) erfuhr, berichtete keine einzige Nürnberger Zeitung über den Abend und konnte somit das Thema ein weiteres Mal umgehen...
Max-Michael
Böhner, November 2011
Die herzliche endliche Unendlichkeit
Wie viel muss man verlieren,
Wie viel muss man investieren, um zu
gewinnen?
Was gibst du mir, während ich dich
überhäufe,
Ausgenommen all die Herzlichkeit,
Ausgestopft wie ein totes Tier
Und karg und trist wie Brachland im
Nimmerland?
Was bleibt mir, während ich mich in
diesen Stunden vergesse,
Allein sinnend nach dir,
Nach unserer realen Vergangenheit
Und unserer unvorstellbaren gemeinsamen
Zukunft? -
Ein Meer der Tränen, allein in mir.
Ich such' die Stille, die mir zuweilen
vergönnt.
Meist aber summt ein Oberton mit in
meinem Ohr.
Er ist kaum hörbar, er stellt sich
meist verschleiert dar.
Die Suche nach Antworten,
Die endlich währende Suche nach einer
besseren Zeit,
Die Mündung in eine Flucht.
Wohin sie mich führte?
Zugleich weit getrieben, wie Vieh,
In die unendlichen Weiten der Länder
der toten Herzen
Und ebenso an den Anfang, als auch an
den Anfang des Endes.
Es stimmt, ich floh.
Es stimmt, dass man in mir versank,
während ich, wie der Apfel, mich
selbst verschlang.
Sinken hat etwas Friedliches: es macht
süchtig und es macht krank.
Ich bin so unheimlich schnell gerannt,
ganz blind war ich.
Schaulustig das Herz mit Vakuen
gefüllt,
Auf den Moment wartend, wo es
zerplatzt.
In mir, da hat sich etwas vergoldet,
etwas von unbeschreiblichen Wert.
Nina Esther Palme, November '11
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photo by Nina Esther Palme |
PROSAISCHE LYRIK im November ♥
"Rosentod"
Vor ein paar Jahren war der Übergang
vom Winter zum Sommer
Nicht so unangenehm kalt.
Nicht so wie dieser: abrupt und bitter.
Überraschend riss ich die Augen auf
Vom Schauer der Winterwoge
zurückgeprellt.
Und dann fühlte ich die Einsamkeit,
Sie gesellte sich zu mir, wie ein
ängstliches Kind,
Das sich zu seiner Mutter kauert und
ihren Mantel mit grünem Rotz überzieht,
Weil es ohne Maß heulen muss.
Vor ein paar Jahren war es der
fließende, unmerklich kälter werdende Übergang
Zum Winter und ich coconähnlich
verpackt
Im Wintermantel der Herzlichkeit.
Man spürte eine eher emotionlose
Veränderung im Innern,
Aber das gute Stück war
- Trotz der Tatsache, das es an den
Schultern viel zu groß war -
Stärker.
Es wärmte und das war mehr als genug.
Der Winter vor diesem war es, der mir
die Augen öffnete.
Er war nicht sonderlich kalt.
Aber irgendwie leer.
Glückleer und angsterfüllt.
Demnach doch irgendwie voll. Viel zu
voll.
Ich befinde mich auf einer Straße.
Orange-grünes Licht ätzt sich in
meine Glieder,
Hinter jeder Hecke versteckt sich ein
Mann,
Fünf an der Zahl und jeder mit einem
Messer lauernd dahinter.
Unverschämt grinsen sie.
Sie erfreuen sich daran, mich in meinem
theatralischen „Winterwonderland“
Zu betrachten, sie sehen, wie der Stift
über das Papier huscht,
Deuten auf jedes Wort, deuten es jedoch
nicht, weil sie einfach
Keine Ahnung haben.
Keine von mir, keine von meinem
Symbolismus,
Keine von diesem bitterkalten, bitteren
Winter,
Der so wesentlich kälter ist als der
vor ein paar Jahren
Mit der merklichen Veränderung der
Temperatur im Innern.
Nina Esther Palme, November '11
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photograph by Nina Esther Palme |
Theater
Personen:
-
Nummer 1
-
Nummer 2
-
Nummer 3
- Nummer 4
1. Akt,
1. Szene
Alle vier Personen oder
ähnliches sitzen, stehen, liegen, lungern, fallen in, laufen, rennen, stolpern,
stolzieren, wackeln, tanzen, promenieren, schleichen, torkeln, kriechen durch
den Raum. Der Raum ist ein Raum. Kein Haus, keine Garage, kein Saal, keine
Wohnung, kein Kellerverließ. Eben nur ein Raum. Eventuell mit einem Stuhl,
einem Tisch und einem Bett darin, da eben solches die meisten Räume
charakterisiert, oder auch nicht.
1:
Hallo!
2:
Hallo!
3:
Hallo!
4:
Hallo!
1:
Und genau deshalb meine ich, dass man niemals unhöflich sein darf.
4:
Eben. Immer dümmlich grinsen und ‚Hallo‘ sagen.
2:
Habt ihr auch noch so einen Kater von gestern Nacht?
3:
Ja, aber was soll man dagegen machen? Weniger trinken? Haha :D
1 sieht 4 an: Hättest du Lust mit mir zu schlafen?
4:
Gerne. Hier und jetzt gleich? Oder später bei mir oder bei dir?
1:
Mich würde es jetzt reizen.
4:
Okay, [2 und 3 zugewandt] dann macht
mal das Bett frei und schaut kurz weg, so lang wird es nicht nicht dauern, es
geht sonst auch immer schnell zur Sache.
2
und 3: Kein Problem. Wir machen den Champagner auf!
1 und 4 schlafen
miteinander auf dem Bett, während 2 und 3 genüsslich Champagner trinken, nein,
süchtig in sich hinein schütten.
2:
Was hältst du eigentlich von meiner neuen Hose?
3:
Ich finde, sie steht dir nicht besonders.
2:
Blödes Arschloch. Lass das mal meine Sache sein.
3:
Du hast doch nach meiner Meinung gefragt?!
2:
Ja, aber ich wollte die geschönte, unwahre hören. Innerlich ist mir bewusst,
wie hässlich die Hose ist, deshalb wollte ich einen Euphemismus verspüren,
damit ich mich selbst betrügen kann.
3:
Nun gut, sie steht dir exzellent. Du siehst ganz abgemagert darin aus!
2 küsst 3: Du bist ein Schatz. Deine Geschlechtsteile
ziehen mich magisch an. Gib her! greift 3 in die Hose und unter das
Oberteil
3:
Wenn das so weitergeht, kann ich mich als Hedonisten bezeichnen. Alles ist
perfekt. Auch du und dein makelloser Körper. [nuschelt: auch wenn die Hose die überflüssigen zwanzig Kilo nur
noch weiter betont]
2:
Ich hätte nie gedacht, wie viel Spaß es macht, zu leben. Und damit meine ich
das wirkliche Leben. Nicht von anderen gelebt werden, mit einem Chef, oder
früher auf der Schule, dann im Studium von Profs… Sie alle haben mich gelebt.
Nun lebe ich mich selbst. Und so, wie ich nach meinem Gutdünken entscheide.
3:
Ja ja, red‘ du nur. Bla bla bla. Ich höre gar nicht mehr hin. Wollen wir nun
endlich ficken, oder hast du dir es in einem Laufe eines philosophischen
Anfalls anders überlegt, du Schwein?
2:
Fick dich selbst. Das waren drei sinnvolle Sätze, nicht mehr und nicht weniger.
Du willst nur ficken. Kannst dich echt ins Knie ficken. Du hast mit deinem
Hedonismus begonnen. Nur deine Schuld.
3:
Gut, ich vögel‘ dich nicht so schnell wieder. Das kann ich ohne Brimborium auch
alleine. Das macht genauso viel Spaß. Befriedigt
sich selbst. Langsam, schneller, kommt. ORGASMUS!
1 und 4 zünden sich eine
Zigarette – nein, Unsinn, zwei Zigaretten – im Bett an, nachdem beide vom
Lustspiel gebeutelt daliegen.
2:
prustet, wie wenn man sich verschluckt: Ihr
wisst doch, dass ich nicht rauche. Und den Qualm nicht ertrage! Egomanisches Dreckspack!
3:
Jetzt wirst du gefickt, metaphorisch
ausgedrückt. Hahaha. Du wirst
gelebt. Strafe für Nichtfick mit mir.
2:
immer noch wie mit Tuberkulose keuchend,
spuckend und röchelnd: Das kriegst du zurück, Arschgesicht!
1:
Hört doch auf. Es lebt sich leichter, wenn man raucht. Das entspannt die
Nerven. Belastet den Geldbeutel. Aber Genuss und Sucht gewinnen. Apropos: Wie
stehen unsere und eure Finanzen?
4:
Ich müsste mal wieder einen Kontoauszug holen. Mittlerweile habe ich den
Überblick verloren.
2:
hust hust hust: Gut, vermute ich.
3:
Dito. Oder grob so ähnlich, in dem Dreh.
1:
Ja, meine ebenfalls. Hoffe ich. Nein, Unsinn: befürchte ich. Wollte ich sagen.
4:
Meinst du wohl, wir steuern gen Bankrott?
1:
Haha, nein, nur, dass ich es nicht haar genau weiß. Und dass ich das bald, wenn
ich Zeit habe, überprüfen werde.
4:
Ach so, dann ist vielleicht ja alles in Ordnung. [zu 3] Magst du mir auch eine Flasche Champagner reichen? [3 steht auf, gibt ihr eine] Danke, du
Engel!
3:
Gerne, Schatz. Es gibt doch nichts Schöneres, als einen gelungenen Tag so zu
beenden.
4:
Danke, Schatz.
1:
Der Sex war gut. Prickelnd. Wie der Champagner.
4:
Danke!
1:
Wieso danke? Es war auch zur Hälfte meine Leistung!
4:
Das nächste Mal liegst du oben und leistest alles.
1:
Lügenbold! Das ist nicht anstrengender. 50% der Arbeit eben.
4:
Probieren wir es einfach das nächste Mal so aus.
1:
Sex soll Spaß machen, befreien. Vom Alltag. Keine Diskussionen aufwerfen.
4:
Du hast damit begonnen. Nur weil du eifersüchtig bist. Weil ich nämlich alle
anderen
haben kann. Zumindest die anderen zwei in diesem Raum.
1:
Gut. Mich nicht mehr. Für dich war es scheinbar ja nur Arbeit und Anstrengung. Fick
die anderen beiden.
4:
Werde ich. [zu 2 und 3] Habt ihr
Lust, ein bisschen zu reden?
2:
Gerne.
3:
Klar, wieso nicht.
4:
legt sich zu 2 und 3 ins Bett. Sie liebkosen.
Ficken.
1:
Welch Schmach für mich! Oh, mir bricht das Herz. Hahaha.
4,
2 und 3 stöhnen.
1:
Ja, wie ich immer prophezeit habe.
4:
So, ich werde nur mal schnell ins Bad huschen. Verlässt das Zimmer durch eine seitliche Tür.
2:
Oi, ich brauche mehr Champagner.
3:
Gute Idee! Ich hole schnell einen. Öffnet
ihn. Schenkt allen nach. Auf uns!
1:
Danke. Wisst ihr, was ich auf Facebook gepostet habe? Dass ich in einer
Beziehung sei. Nur um nicht von Tonnen von Menschen aus dem
Gruselkabinett angegraben zu werden.
3:
Ja, das ist das Beste. Mache ich auch manchmal. Allerdings ist mir aufgefallen,
dass mich nun viel viel weniger Leute anmachen als zuvor, weil sie denken, dass
ich wirklich in einer Beziehung sei.
4:
kommt zurück und umarmt alle, nimmt sein Glas,
reckt es in die Höhe und brüllt Ich liebe euch alle. Egal, was ist. Mit
euch kann man immer so viel Spaß haben!
2:
Richtig. Ich liebe euch. Und sonst niemanden!
3:
Manchmal möchte ich mich umbringen. Es zum Kotzen langweilig. Steckt sich den Finger in den Hals, würgt,
kotzt. Ich bin eh viel zu fett! Mich ekelt es vor mir selbst! Kotzt weiter.
1:
Igitt, magst du das nicht wo anders machen? Widerwärtig…. Das macht mich
nervös…. Reißt sich Haare von den Armen
und vom Kopf ab, frisst sie. Würgt wie eine Katze.
2:
Wohin soll das alles führen? Ich bin hier doch der Einzige, der alles kann. Ihr
könnt alle nichts. Nullrunden, Nieten, Niemande seid ihr!
4:
Klar, rühm‘ dich nur mit allem. Mit allem, was du eigentlich nicht draufhast.
3:
macht eine kurze Pause vom Kotzen, wischt
sich mit dem Oscar de la Renta Pullover über den bröckligen Mund Hört doch
auf, ihr macht mir langsam echt Angst!
1:
Mit Haaren im Mund Ich hasse euch.
Ihr macht mich depressiv. Und irre. Seid kein guter Umgang für mich.
2:
Sehe ich heute nicht wunderbar aus? Ich bin von Natur aus so schön dünn. Muss
nicht dafür kotzen.
Dylans „When the ship comes
in“ ertönt in ohrenbetäubender Lautstärke.
Alle krümmen sich vor
Schmerzen, halten sich die Ohren zu, schreien wild und toll durcheinander. Wälzen
sich auf dem Boden, rammen sich die Fäuste in die Bäuche, rennen gegen Wände,
röcheln…. Brabbeln unsinniges Zeug vor sich hin:
1-2-3-oder/und 4: AHHHHHHHHH! ICH WILL ÜBER SO WAS NICHT
NACHDENKEN! DAS MACHT MICH IRRE! IHR MACHT MICH IRRE! LIEFERT MICH EIN!
SCHALTET DAS AUS! VIEL ZU VIEL! SO ANSTRENGEND! NICHTDENKEN! LEBEN! ICH
SCHEISSE MIR VOR ANGST DIE HOSEN VOLL! MIR KOMMT DIE KOTZE HOCH! SO EIN
VERSCHISSENER SCHEISSDRECK! STELLT DAS AB!
1:
In der Embryonalstellung wippend
2: Beißt
sich in die Arme. Blut.
3:
Apathisch sitzend.
4:
Versucht die Lungen mit Luft zu füllen. Knallt
auf den Boden. Anaphylaktischer Schock.
Das Lied verstummt mit dem
letzten Akkord. Alle bemerken, dass 4 einen A.S. erlitten haben muss und tot
ist.
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by Max-Michael Böhner, finished Nov. '11
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Anonymous 1, 2 and 3. Photograph done by Nina Esther Palme. |
Dies hat keinen Namen, dies hat einen
Sinn
Sie dachte, sie fraß eine Nadel
Und sie fürchtete sich vor den Folgen,
Die niemals einsetzten.
Sie dachte, sie atmete Gift
Und sie fürchtete sich vor den Folgen,
Die sich niemals ergaben.
Sie dachte, sie hatte die Art Angst,
Dass sie drohte, zu zerbrechen,
Aber es war nur die Angst vor den
Folgen,
Die niemals eintraten.
Sie hatte Bedenken vor dem Vergessen
von etwas,
Was nie gedacht wurde
Und bedachte die Folgen,
Die niemals stattfanden.
Sie fürchtete sich vor dem Alleinsein
Und ward bald glücklich darüber
allein zu sein,
Denn sie tötete die Angst
Vor den nicht-existenten Folgen
Und suchte das Glück
In sich selbst.
Nina Esther Palme
November 2011
|
photo by Nina Esther Palme |